Reisebericht Myanmar – Shwedagon Pagode & Shan Berge
Der schnarchende Buddha
Wir waren kaum in Yangon – der Hauptstadt von Myanmar – angekommen, als wir von der Schönheit der vielen, meist goldenen Buddha-Statuen wie verzaubert waren. Sie leuchteten in der Sonne und es kam uns vor, als würde das freundliche, meditative Lächeln unser Herz direkt erreichen. Endgültig wurden wir von der Kraft seiner Ausstrahlung in der Shwedagon-Pagode überzeugt, dem „goldenen Wahrzeichen“ von Yangon. So viele Buddhas in allen Größen, die goldenen Stupas, die eleganten Frauen in den edlen Kostümen, der Kombination aus Longyi mit der stets passenden Bluse, die Männer meistens mit ihrem traditionellen Sarong bekleidet, die andächtige Stimmung und Versunkenheit, dann wieder das muntere Plaudern – und die vielen Handys, natürlich auch die Mönche und (deutlich weniger zahlreichen) Nonnen, einige Touristen wohl aus allen Teilen der Welt. Über all diesem ebenso beschaulichen wie munteren Szenario thronen die über Ort und Zeit erhabenen Buddhas, häufig von Blumenmeeren und Früchten umgeben, in den wohltuenden Duft des Räucherwerkes gehüllt. Die Sonne ließ das Gold intensiv erstrahlen. Bisweilen waren die Buddhas in die Regenbogenfarben von elektrischen Lichterketten gehüllt – oder um den Körper Buddhas war ein kostbarer (meist gelber) Stoff mit bunten geometrischen Mustern drapiert. Wir kamen uns wie in einem Zauberland vor. Gleich vom ersten Tag an umwehte uns diese so angenehme Atmosphäre und wurde im Laufe der Reise durch die Besichtigung der zahlreichen Klöster zu allen Tageszeiten, bei gleißender Sonne und in der Farbenpracht des Sonnenuntergangs, noch intensiviert. Es kam uns vor, als würde der meditative Buddha unsere Wahrnehmung leiten. Immer wieder trafen wir auch Statuen des sitzenden „Buddhas“, eigentlich wohl ein Mönch, dessen lachendes, rundes Gesicht sowie sein wohlgerundeter Bauch eine ansteckende Fröhlichkeit verbreitete, zu dem dank des prallgefüllten Geld- und Gabensackes an seiner Seite noch die Aura des Wohlstandes hinzukam.
Während unserer Reise nach Myanmar (16. November bis 07. Dezember 2015) erlebten wir drei örtliche Reiseleiter; unser letzter war Mister Menu; sein rundes, freundliches Gesicht glich dem des Buddha-Mönchen, und seine Fröhlichkeit steckte ebenso an wie die der Statuen. Er begleitete uns von Pindaya aus Ende November 2015 in das Dorf und Kloster Ya Sa Kyi. Es ging mit ihm und dem munteren Küchenteam in Form von jungen Myanmaren etwa vier Stunden lang in die Shan-Berge – vorbei an Feldern, Baumbeständen, Wasserstellen, traditionellen Bambushäusern, Kühen und Ochsen – ein malerisches Bild, das die heitere Ruhe Buddhas auszustrahlen schien. Manchmal beobachtete uns ein hoch in den Bäumen singender Vogel; auch er schien uns von der Schönheit der Natur und der Pracht der Goldbuddhas zu singen. Schließlich erreichten wir das Palaung-Dorf Ya Sa Kyi, dessen Häuser mit individuellen Bemalungen in geometrischem Muster frisch renoviert in der Sonne strahlten. Die Muster hatten wir doch bei den Stoffumhüllungen der Buddha-Figuren schon gesehen! Kinder kamen uns lachend entgegen, freundlich winkende Frauen, die Wasser trugen, Männer und Frauen, die von der Feldarbeit kamen.
Weiter ging es zum noch höher gelegenen Kloster, in dem wir eine Nacht verbringen sollten. Der Abt empfing uns lachend in dem geräumigen Hauptsaal des Klosters, der von einem großen – goldenen – Buddha dominiert wurde. Wir kamen in dem Neubau unter, dessen weitläufiger, holzgetäfelter Schlafsaal im ersten Stock ebenfalls von einem fast überdimensional großen goldenen Buddha in der Mitte der hinteren Wand gleichsam bewacht wurde, den weitere kleinere weiße Buddha-Figuren zu seiner Linken und Rechten begleiteten und die hintere Seite des Raumes ausfüllten. Frisches Obst und Blumen als Opfergaben zu seinen Ehren verliehen dem Altar ein noch freundlicheres Ambiente, als das die in die Meditation versunkenen Figuren ohnehin schon taten. Der Altar war also der Treppe gegenüber am schmaleren Ende der Wand, so dass der Blick beim Hinaufgehen gleich auf ihn fiel. Das Sonnenlicht intensivierte den Goldschein Buddhas, was ihm eine würdevolle Weihe und etwas Majestätisches verlieh.
Wir bauten unser Schlaflager auf – Strohmatten und Decken in einer Reihe, mit seitlichem Blick auf den goldenen Buddha und den Altar. Es war wegen der Höhenlage des Klosters deutlich kälter als in den vorher besuchten Städten; zum Glück waren wir gut ausgerüstet! Zudem bereiteten uns die Köche OA und Minh Mi ein köstliches warmes Mahl in der Küche im Erdgeschoss. Der Koch OA hatte die Eier-Tüte während der ganzen Wanderung lang mit sich getragen, weitere Begleiter die Zutaten in Rucksäcken transportiert. Da uns das Küchenteam schon während der Trekkingtour hervorragend bekocht hatte, freuten wir uns auf das Abendessen, das sie im Kloster auf einer offenen Feuerstelle zubereiteten und das wir im Saal an tiefen Tischen auf dem Boden hockend genüsslich aßen. Es ergaben sich anregende Gespräche mit unserem Reiseleiter Mr. Menu, mit Min Oo, der uns so Manches auch von seiner Familie erzählte. Seine gute Laune war einfach ansteckend; dazu kam seine fröhliche Ausstrahlung – sein rundes, volles Gesicht und das freundliche Lächeln ließ einfach an den Buddha-Mönch denken. Wir gaben ihm deshalb den Beinamen „Unser Buddha“.
Er erzählte uns auch von dem noch sehr lebendigen Glauben an Geister, an die Nats, die bei Vollmondnächten besonders aktiv seien. Vielleicht begegneten wir ja später nachts dem einen oder anderen… Die Menschen in Myanmar bringen ihnen eine große Ehrfurcht entgegen und wollen sie mit Opfergaben wohlwollend stimmen. Ihre Statuen konnten wir auf dem Mount Popa bewundern. Schutzgeister, unterstützende und schädliche, die besänftigt werden wollen. Die Vielfalt und bunte Pracht ihrer zum Teil wie Menschen dargestellten Statuen machten es durchaus wahrscheinlich, dass wir dem einen oder anderen Nat auf dem Klostergelände begegnen könnten und sei es „nur“ ihrem Geist.
Es wurde rasch dunkel und der Mond tauchte das Kloster in das helle Licht einer sternenklaren Vollmondnacht, was dem Kloster eine besondere Stimmung verlieh. Wir konnten uns sehr gut vorstellen, dass Geister durch die Gebäude und auf dem Gelände vorbeihuschten, Schatten gab es genug. Wer weiß, vielleicht nisteten sie sich in ihren Verstecken oder sogar im Schutze von Buddha in seiner Nähe ein? In der Nacht sahen wir sie nicht wirklich – vielmehr begegneten wir auf dem Gang zu den entfernteren Toiletten dem ein oder anderen Mittouristen, die in den anderen Gebäuden schliefen und wie wir mit Taschenlampen durch das Gelände tapsten und der Wiese vor dem Kloster etwas zusätzlich Gespenstisches verliehen. Wenigstens ihre Schatten könnten schon etwas vom Geist der Nats haben…
Später nach dem reichhaltigen Essen legten wir uns auf unsere Matten. Unser Nachtlager war auf der Längsseite, beim Hinaufsteigen der Treppe auf der rechten Seite. Unser Reiseleiter, die Köche und weitere einheimische Personen hatten ebenfalls an dieser Seite ihre Nachtlager aufgebaut. Fahles Mondlicht schien in den großen Raum und verlieh dem goldenen Buddha etwas Geheimnisvolles. Wir kuschelten uns in die Decken; es wurde etwas klamm, doch gefroren haben wir nicht. Die zur Verfügung gestellten Decken wärmten gut – zudem bewährte sich unsere Ski-Unterwäsche. Jedenfalls war an dem immer lauter werdenden Schnarchen und Tönen aller Art klar abzuleiten, dass die meisten im Raum schliefen, nach einer Weile sicher alle. Als wir früh am Morgen aufwachten, drangen von der großen goldenen Buddha-Statue an der Schmalseite der Wand laute Schnarchgeräusche an unser Ohr. Erschrocken holten wir unsere Taschenlampen hervor und strahlten den majestätischen goldenen Buddha an. Wir setzten uns auf und schauten ihn fragend an, doch er lächelte weiterhin mildtätig und freundlich. Hatte sich ein Nat eingeschlichen?
Es war eindeutig: Tiefe, feste und gleichförmige Schnarchgeräusche hallten durch den großen Raum und zwar deutlich aus der Richtung von dem Buddha-Altar, wenn nicht von dem goldenen Buddha selbst. Wie das? Wir erforschten die Lage – und fanden die Auflösung des Rätsels vom schnarchenden Buddha: „Unser Buddha“ Reiseleiter hatte sich mitsamt seinem Schlaflager auf das Altarpodest neben dem goldenen Buddha verzogen. Als wir uns das Panorama näher ansahen, kam es uns vor, als müsste das so sein, war ihm doch in seiner freundlichen, ja fröhlichen Ausstrahlung etwas von Buddha oder dem lachenden Mönch eigen, dessen Statue wir immer wieder an verschiedenen Orten gesehen hatten und an dem alles rund war. Unser Buddha war also der schnarchende Buddha. Er hatte sich vor allzu lauten Schnarchern nachts schutzsuchend dorthin verzogen. Ob nicht vielleicht doch auch der goldenen Buddha und „unser Buddha“ im Gleichklang schnarchten, wissen wohl die Nats der Vollmondnacht in den Shan-Bergen am besten.
Frau Prof. Dr. I. Neu
Lesen Sie in zwei weiteren Berichten mehr über diese beeindruckende Reise von Frau Prof. Dr. I. Neu:
- Wie "unser Buddha" Mister Menu (Zavv Min OO) aus Myanmar Reiseleiter wurde
- Die Obstverkäuferin am Strand von Ngapali Beach / Myanmar